Leider konnte ich den PBP nicht beenden, ich bin 780 km von 1.200 km geradelt.
Trotzdem war es eine super Erfahrung, die sich sehr gelohnt hat und die ich höchstwahrscheinlich wiederholen werde in vier Jahren (2027).
Es waren ca. 51 Stunden mit Pausen und 4 Stunden Schlaf.
Grund zum aufgeben, starke Schmerzen im rechten Knie und das Zeitlimit wurde nach und nach überschritten.
Die Franzosen haben eine deutliche Leidenschaft für Fahrräder. Tolle Stimmung und die Motivation der Menschen in den Dörfern. Familien versammelten sich am Straßenrand oder an Tischen, aßen und
feierten uns. Es wurde alles angeboten, Wasser, Kaffee, Cola, Essen...
Meine Zahlen:
Gesamtdistanz: 780,53 km
Höhenmeter: 880 hm
Durchschnitt Geschwindigkeit: 20,20 km/h
Gesamtzeit: 51:11 Stunden
Gesamtkalorienverbrauch: 14.277
Schweißverlust: 27.783 ml
Min. Temperatur: 11°C
Max. Temperatur: 39°C
Oberstdorf nach Hamburg in zwei Etappen:
1. 545,8 km in 29:38 Stunden
2. 317,6 km in 15:55 Stunden
Ausrüster: Trelock
Als ich vor dem Rathaus in München stehe, wird mir die Tragweite meiner Entscheidung erst bewusst. Einige Leute planen für ihre Tour von München nach Venedig 5-6 Tage ein – ich möchte es in 24 Stunden schaffen. Erst jetzt fällt mir auf, welch eine Schnapsidee das ist. Eigentlich bin ich bei langen Radtouren ein Genießer. Die Natur erleben, Routen erkunden und Neues sehen. Doch dieses eine Mal möchte ich aus meiner Komfortzone kommen, das Optimum aus mir rausholen und mir selbst etwas beweisen. Knapp 495 Kilometer trennen mich von meinem auserkorenen Ziel.
Um 20:56 Uhr geht es mit meinem ROSE CROSS PRO RS los. Zuerst ganz locker, um warm zu werden und mein Tempo zu finden. Mit mindestens 20 km/h ziehe ich vorbei an Holzkirchen, dem Tegernsee bis hin zum Achensee. Ein leichter Gegenwind ist zu spüren – aber ich lasse mich nicht beirren und radle Kilometer um Kilometer weiter.
Im Inntal ist es stockdunkel. Zwei aufgescheuchte Gämse queren meinen B&M Ixon IQ Lichtstrahl. Ich höre noch andere Tiere, die schnell die Flucht ergreifen und in der Dunkelheit verschwinden. Insgeheim hoffe ich nur, dass mir keins der Tiere ins Fahrrad läuft. Ohne Komplikationen kann ich meine Reise fort setzen.
Kurz vor Innsbruck zeigt mein Garmin etrex touch 35 GPS-Gerät den 141. Kilometer an. Ich biege in die Gemeinde Aldrans ab und starte meinen Anstieg in Richtung Brennerpass. Den unbeschreiblichen Ausblick auf Innsbruck und seine Lichter kann ich nur kurz genießen, denn der Gegenwind nimmt Fahrt auf und weht mir eiskalt um die Ohren. Die Nacht auf meinem Fahrrad ist lang und kräftezehrend. Das Frühstück bei Matrei am Brenner ist eine willkommene Abwechslung und eine lang benötigte Stärkung auf meinem weiten Weg. Sich nach dem Frühstück wieder aufs Bike zu schwingen bedarf einiger Überwindung. Vor allem der starke Gegenwind macht mir zu schaffen. Aber ich kämpfe mich durch und erreiche den Brennerpass um 10:05 Uhr mit 179,5 km auf dem Tacho. Immer weiter Richtung Bozen.
Eine Regel besagt, dass der Wind vormittags am Etschtal Richtung Gardasee weht und nachmittags als berüchtigter Ora Südwind in umgekehrter Richtung wütet. Auf meinem Abenteuer darf ich diese Regel auf die harte Tour lernen. Meine Strecke entlang des Etschtalradwegs von Bozen nach Trient verläuft unmittelbar auf einem Hügel, sodass ich dem anstrengenden Wind stets ausgesetzt bin. Zumindest macht mein Ergon SRX-30 Sattel mit und lässt mich auch nach all diesen Kilometern nicht im Stich. Ich weiß selber nicht, woher ich die Kraft und Motivation nehme, um einfach weiterzufahren. Rückenwind wäre ja auch zu schön gewesen! Als ich in Trient eintreffe ist es 18:00 Uhr. Mir stehen die Tränen in den Augen. 190 km Gegenwind. Mein Ziel, Venedig in 24 Stunden zu erreichen, war nun in unerreichbare Ferne gerückt. Vor lauter Frust und Wut wäre ich am liebsten sofort in einen Zug zurück nach München gestiegen. Zum Glück hält mich meine Frau Dani bei unserem Telefonat davon ab. Als ich ihr sage, dass ich den nächsten Zug nach Hause nehmen werde, fragt sie nur nach meiner körperlichen Verfassen. „Mir geht’s gut“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Dann fahr weiter nach Venedig. Andernfalls wirst du dich über dich selbst ärgern, wenn du das Handtuch wirfst“, spornt sie mich an. Sie sollte recht behalten.
Ich nehme mir eine 45-minütige Auszeit, um eine Pizza zu essen, und schwinge mich dann wieder in den Sattel. Der Anstieg nach Lago di Caldonazzo und die restlichen 160 km nach Venedig wollen schließlich noch von mir bezwungen werden. Die letzten 160 km sind die längsten und anspruchsvollsten Kilometer der Tour. Ich bin so unfassbar müde und kämpfe um jeden einzelnen Meter. Ab Serenissima muss ich immer wieder Erholungspausen einlegen, um nicht auf dem Fahrrad einzuschlafen. Bei jeder kurzen Unterbrechung schlafe ich fast im Stehen ein. Zurück im Sattel fahre ich nur noch wie in Trance. Immer weiter, immer weiter, das Ziel klar vor Augen. Insgesamt dreimal mache ich jeweils knapp 20-minütige Nickerchen in Bushaltestellen. Zum Glück habe ich meinen Wecker dabei, der mich immer wieder ermahnt, dass ich weiter muss.
Ich überquere Bassano del Grappa am Rand der Alpen und quäle mich durch das Straßen-Labyrinth nach Venedig. Jedes Mal zeigen die Straßenschilder unterschiedliche Distanzen an. „Venedig 46 km“ – dann „Venedig 31 km“ – und plötzlich wieder „Venedig 40 km“. Wie soll man denn da motiviert weiterfahren?
Endlich erreiche ich Mestre und erlebe schon frühmorgens den chaotischen Verkehr. Die letzten Kilometer bis nach Venedig. Das Ziel ist in Sicht. Um 07:17 Uhr erreiche ich den St. Lucia Hauptbahnhof von Venedig. 494,1 km mit insgesamt 3.539 Höhenmetern in 28 Stunden und 5 Minuten. Ich empfinde keine Freude, nur Erleichterung darüber, endlich angekommen zu sein.
Erst einen Tag später, als ich zurück in München bin und einen erholsamen Schlaf genießen kann, setzt die Euphorie ein.